Buchtipp: „Unter Tränen gelacht“ von Bettina Tietjen

Da hat der Piper Verlag einen echten Deal gemacht. Eine aus dem Fernsehen bundesweit bekannte Autorin zu einem herzzerreißenden Thema. Fühlt sich da nicht jeder Betroffene gut aufgehoben? Ist es nicht gut zu sehen, daß es auch Prominenten geht wir mir?

Ein Hörbuch für nebenbei

Ich habe mich für das Hörbuch entschieden, denn das konnte ich nebenbei hören. Und ich war sehr gespannt, wie Frau Tietjen, die das Buch ex post, also aus dem Gedächtnis geschrieben hat, die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters erlebt. Wann hat sie die Demenz ihres Vaters registriert? Wie hat sie die Betreuung geregelt (bekommen)? Wie hat sie die Belastung erlebt? Welche Lösungen gelangen nicht und welche waren praktikabel?

Gut gelesen und sehr unterhaltsam

Bekommen habe ich ein Buch, daß sich gut liest, sehr unterhaltsam ist – für all jene, die keinen oder keine Liebsten pflegen müssen. Mir geht es anders, ich habe nicht nur meine Mutter, sondern auch meinen Stiefvater betreuen und pflegen müssen und das allein. – Und ich habe mich kolossal geärgert.

Märchenstunde oder Werbeeinblendung – das hätte ich auch gerne erlebt

Ich weiß, das klingt vielleicht gemein oder neidisch, doch auch heute wirken die Belastungen über Jahre hinweg bei mir noch nach. Da bin ich sicher empfindlich.
Doch was Bettina Tietjen schildert hätte ich gerne erlebt. Leider ist die Realität ganz weit weg von dem was sie hier vor dem Leser so unterhaltsam ausbreitet.
Ich weiß, das klingt vielleicht gemein oder neidisch, doch auch heute wirken die Belastungen über Jahre hinweg bei mir noch nach. Da bin ich sicher empfindlich.
Doch was Bettina Tietjen schildert hätte ich gerne erlebt. Leider ist die Realität ganz weit weg von dem was sie hier vor dem Leser so unterhaltsam ausbreitet.

Doch zum Inhalt

Eigentlich hat sich die Schwester von Bettina Tietjen primär um den Vater gekümmert. Doch als die Nachbarn informieren, daß er auffällige Demenzreaktionen zeigt, übernimmt die Autorin die Betreuung des Vaters, um ihre Schwester zu entlasten.

Nach dem zunächst mit einer persönlichen Betreuung gearbeitet wird, fällt die Entscheidung, den Vater in den Norden in ein Altenheim zu holen. Das geht anscheinend schwupp die wupp und es gibt eine tolle Betreuung, die vieles an persönlichen Unternehmungen ermöglicht. Szenen, wie beide in der Öffentlichkeit fröhlich singen gehen ans Herz.

Es ist toll zu lesen: Pflegekräfte, die sie informieren, mit ihr gemeinsam Lösungen durchdenken, zuhören, vielleicht auch mal fragen, wie es ihr geht. Es gibt keine Beschwernisse, keine Sorgen.

Das hätte ich auch gerne erlebt

Und genau da fangen für mich als Betroffene die Probleme an: Das hätte ich auch gerne erlebt. Die Realität war bei mir doch sehr anders und bei vielen anderen auch: Absprachen sind schwierig. Als mein Stiefvater so zunahm, daß er Atembeschwerden bekam, hat sich trotz vieler Gesprächsbemühungen erst etwas getan, als der Hausarzt intervenierte… Und davon erfuhr ich zufällig – im Nachhinein.

Ich habe leider erlebt, daß es keine Absprachen gab, daß persönlicher Besitz verschwand, daß ich bei Gesprächen mit meinen Liebsten rausgeschmissen wurde, daß mir vorgeworfen wurde ich sei „unmöglich“ übrigens nicht nach einem Streit oder einer Auseinandersetzung. Sondern von einer Pflegekraft, die ich vorher noch nie gesprochen, geschweige denn gesehen habe. Wer solche Erlebnisse macht – und das sind leider viele, der kann sich nur schwer über solch ein Buch amüsieren. Das kann wohl eher ein Leser, der noch nie in vergleichbarer Lage war.

Amüsant für Leser ohne jegliche Praxisbegegnung

Also für Unbelastete ist das Buch grandios. Wie schön, skurril und smart man doch solch eine Lebenslage regeln kann. Und da ist es schon wieder. – Diese Leserschaft kann solch eine Situation für bare Münze nehmen. – Während ich eher über Promiboni nachdenke.

Mein Fazit: Das Buch ist sehr witzig, unterhaltsam und gleichzeitig ein Bärendienst an allen Betroffenen. Aber immerhin, es garantiert Piper und der Autorin bestimmt gute Verkaufzahlen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert