Die Trauerrednerin

Die Trauerrednerin kann nicht für mich sprechen

Eine Trauerrednerin sitzt im Wohnzimmer, sie sitzt für meinen Stiefvater da. Es wird ein schwieriges Gespräch. Ich rede ja mit, fange auf, was er nicht mitteilen kann. Doch für mich wird sie nicht sprechen. Je länger es dauert, desto weniger könnte ich die Trauerrede an einen anderen abgeben. Es ist vielleicht meine Art, Nähe zu empfinden. Meine Mutter! Ich war so stolz auf sie! Sie hatte wohl das Gegenteil vermutet.

Ich bin so unendlich stolz auf sie!

Ich war so stolz auf sie und ihre Leistungen und ich war stolz, daß ich ihre Tochter sein durfte. – Nein, sie war nicht perfekt. So gar nicht perfekt. Aber das war gut. Ich war ja auch nicht die perfekte Tochter.
Sie hatte mir Möglichkeiten geboten, die kein anderer Mensch für mich erkämpft hätte. Ohne ihren Einsatz hätte ich nie ein Abitur gemacht und ein Studium absolvieren können.

Sie hatte ganz allein ein Haus gebaut, mich erzogen, mich gebildet, einen Haushalt gemanagt, eine Führungsposition erarbeitet und ausgefüllt. Meine hellsichtige, kluge, willensstarke, kämpferische Mutter! Wie kann man auf solche eine Frau nicht stolz sein. Nur Dumme und Idioten!

Ich fühle Revanche während ich dort sitze. Daß der Rest der Familie das anscheinend nicht zu schätzen gewusst hatte!

Wie soll ein Trauerredner meine Empfindungen in Worte fassen? Wie sollte er sie angemessen formulieren?

Wie soll ein Trauerredner das in Worte fassen? Die Trauerrednerin fühlt sich sichtlich unwohl. Sie spürt die Differenzen und unterschiedlichen Perspektiven. Die Rede wird später entsprechend. Mäßig. Ohne tieferen Sinn. Ich rede dann nur für mich.

Nicht perfekt, aber genau richtig – für mich!

Es ist zu leise für die Trauergemeinde. Ich verteile ein paar Ohrfeigen, die viele offensichtlich nicht verstehen. – Und nein. Ich fühle mich auch heute nicht schlecht. War es perfekt? Nein. War es so, wie alle erwartet haben? Nein.

Aber es war ziemlich so, wie ich es sich für micht stimmig anfühlte – und mit dem was nicht so war – kann ich leben.

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